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König Kurzweil XXVI
Kurzweil K-2600R Rack-Synthesizer
von Kai Schwirzke

Während manchen Herstellern auf Grund allzu rascher Produktzyklen bereits die sinnfälligen Typenbezeichnungen auszugehen drohen, übt sich die amerikanische Firma Kurzweil bislang in erfreulich steter Produktpflege, sowohl in Hard- als auch in Software-Fragen. Passend zum neuen Jahrtausend legen die Amerikaner nun mit dem K-2600 einen überarbeiteten Nachfolger des bisherigen Flaggschiffs
K-2500 nach.
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04/2000

Testbericht
K2600R
 

Der Verkaufsleiter von Young Chang Europe, der hiesigen Vertretung des koreanischen Kurzweil-Mutterhauses sprach: "... und vor allem, Sie werden sehen: Der Neue klingt ganz anders!" Diese Worte noch deutlich im Hinterkopf befreie ich das Testobjekt, die Rack-Variante des Kazwosechs, von seinen Reisekleidern: Schaut im Prinzip aus wie sein Vorgänger, etwas andere Knöpfe zwar und ins neue violette Firmen-Outfit gesteckt, aber ansonsten alles beim Alten: 3,5-Zoll Diskettenlaufwerk, großes LC-Display und Alpha-Dial, hinten fünf Stereo-Ausgangspaare, SCSI- und MIDI-Interface. Und sauschwer, das Teil, fast
12 kg sind zu stemmen. Das nenne ich solide. Falls die Sampling-Option installiert wurde, sind weiterhin von vorne die analog- und Digitaleingänge und hinten die Digital-Outs zugänglich, bei Einbau der DIOS-26 (siehe unten) erhält die Rückfront weitere Digitalschnittstellen.

Bekanntes


Auch ein erstes Inspizieren des Handbuchs fördert zunächst Bekanntes an den Tag. Nach wie vor arbeitet der K-2600 mit der V.A.S.T.-Synthese (Variable Archtitecture Synthesis Technology), wobei die Liste der DSP-Funktionen vor allem in der nächsten Betriebssystemversion 2.0 deutlich zulegen soll - und dank der überarbeiteten Hardware auch kann. Auffälligste Neuerung in der vorliegenden Fassung: Die Filter arbeiten auf Wunsch mit 48 dB Flankensteilheit und nicht mehr mit "nur" 24 dB. Für alle, die mit den V.A.S.T.-Interna weniger vertraut sind, hier eine ganz kurze Zusammenfassung dieses außerordentlich anspruchsvollen Syntheseprinzips:

V.A.S.T


V.A.S.T. gründet auf Samples, berechnet bei Bedarf aber auch Standardwellenformen. Bis zu 62 Samples werden zunächst der Tastatur zugeordnet ("Keymap"), durchlaufen dann diverse Klangformungsalgorithmen (Keymap + Algorithmen = "Layer"), passieren den KDFX-Effektprozessor und landen schließlich als "Program" an einem der vier Ausgangspaare oder dem "Mix Out". Ein "Program" kann sich dabei aus bis zu drei "Layern" zusammensetzen. Der K-2600 verwaltet acht Tastaturzonen, jeder dieser Zonen darf ein "Program" zugeordnet werden, was sich "Setup" nennt. Klangtüftler freut nun, dass der Weg vom Sample zum Output nicht vorgegeben ist.

K2600R

Vielmehr lassen sich vom Anwender 31 Algorithmen auswählen, in denen verschiedene DSP-"Bausteine" (wie z.B. Filter, "Stimulator", Hüllkurven-EG etc.) in verschiedenen Konfigurationen zusammengestellt sind. Die Verdrahtung dieser Module innerhalb der Algorithmen ist fix, doch darf man nach Herzenslust herumprogrammieren, wie genau die einzelnen Bausteine sich verhalten sollen (z.B. Hipass, Lowpass usw.).

Let’s have FUN


Spannender Bestandteil der Synthese sind ferner die 50 "FUNs", die Funktionsgeneratoren. Mit ihnen lassen sich anhand mathematischer Formeln, etwa: cos (a + b), die Steuerspannungen zweier Module zu einer neuen verrechnen. Der K-2600 verfügt im Gegensatz zu seinem Vorgänger über 12 MB Sample-ROM. Dabei handelt es sich um das 8 MB umfangreiche Standardmaterial des K-2500 zuzüglich der "Stereo Piano"-Erweiterung mit 4 MB, die bei den anderen K-Modellen zusätzlich erworben werden muss. Weiterhin können auch die bereits bekannten beiden ROM-Extensions "Contemporary" und "Classical" mit jeweils 8 MB und zwei weitere, in der Entwicklung befindliche Sample-Boards (8 MB) ergänzt werden, so dass sich summa summarum stattliche 44 MB Sample-Material adressieren lassen.

Sampler


Doch bieten die Synthesizer der K-Serie seit jeher auch Platz für eigene Samples. Im
K-2600 werden ab Werk 16 MB installiert, bis zu 128 MB sind behelfs handelsüblicher SIMMs möglich. Samples durchlaufen wie auch das Material im ROM bei Bedarf die komplette Klangerzeugung des K-2600, für abendfüllende Klangschraubereien sind also Tür und Tor weit geöffnet.

Samples liest man, wer hätt’s gedacht, per Diskettenlaufwerk, besser aber über einen Massenspeicher via SCSI ein. Der Kurzweil versteht neben seinem eigenen auch das Akai-, Roland- und Ensoniq-Format, für eine ausreichend große Sample-Bibliothek ist daher gesorgt. Auch die auf Macintosh- respektive Windows-Rechnern weit verbreiteten AIFF (Audio Interchange File Format)- und WAV-Dateien lassen sich in den Kazwosechs befördern. Wer selber sampeln möchte, greift zum bereits erwähnten Sampling-Board. Dass dieses als Option zur Verfügung steht, schiene mir angesichts der vielen lediglich als CD-ROM-Abspieler genutzten Sampler im Lande äußerst sinnvoll - wenn nicht die digitalen Ausgänge an eben dieses Board gekoppelt wären. Das hätte man bei einer Neuauflage des K-2500 doch sicherlich etwas eleganter lösen können. Wer übrigens mehr digitale Ausgänge benötigt, greift zum DIOS-26. Diese Option spendiert dem K-2600 den KDS-Output, der wiederum bis zu acht digitale Kanäle an das "DMTi" (Digital Multitrack Interface) aus eigenem Haus transferiert. Von dort aus geht es dann im ADAT- oder TDIF-Format weiter an einen digitalen Multitracker.

Stimmig


Der K-2600 ist nach wie vor 48-stimmig. Das scheint im Vergleich zu anderen aktuellen Synthesizern zunächst recht wenig, allerdings gilt Folgendes zu bedenken: Einige DSP-Module gestatten es, weitere Wellenformen zu generieren, so dass insgesamt 192(!) Oszillatoren einsatzbereit sind. Es lassen sich beispielsweise Solosounds aus drei Sägezahnwellen programmieren, die beim Spiel lediglich eine der 48 "echten" Stimmen verbrauchen. Gänzlich überarbeitet wurde das Design der internen Signalführung sowie der Audioprozessoren selbst. Das hat in der Praxis zwei deutlich hörbare Effekte. Zum einen ist das Aussgangssignal noch nebengeräuschfreier als bereits beim K-2500, zum anderen klingt der K-2600 tatsächlich etwas anders als sein Vorgänger. Während der Kazwofünf eher HiFimäßig wie mit leichter "Loudness"-Kurve wirkt, legt der Neue im Mittenbereich ein wenig zu und liefert so subjektiv empfunden mehr Druck an den Ausgängen. Das allerdings fällt in der Tat wohl nur dem auf, der - wie ich - einen K-2500 und und K-2600 im A/B-Vergleich mit identischen Sounds probehören kann. Wobei ich anmerken möchte, dass ich nicht finde, dass der Nachfolger unbedingt um Welten besser klingt. Allerdings auch ganz und gar nicht schlechter - und in jedem Fall rauschfreier.

Effektiv


Ein wesentlicher Teil der Produktpflege verbirgt sich hinter dem im K-2600 bereits integrierten KDFX-Effektboard, für das der geneigte K-2500-Besitzer immerhin 1.690,- DM auf den Tisch legen muss. Das KDFX (Kurzweil Digital Effects) bereichert den K-2600, einfach gesprochen, um fünf stereophone Effektprozessoren. Bei vier dieser Prozessoren handelt es sich um sogenannte "FXBusse", die nach dem Insert-Prinzip arbeiten, und um einen "AuxFX", einem globalen Summeneffekt. Die Rechenpower der Karte ist in sieben ?"PAUs" (Processing Allocation Units) aufgeteilt, wobei allen FXBussen insgesamt vier, frei disponible PAUs und dem AuxFX drei PAUs zugedacht wurden. Die Klangqualität dieser komplexen, nicht unbedingt einfach zu programmierenden Effekteinheit ist außerordentlich beeindruckend, wer einen ähnlich hochwertigen Effektprozessor in einem Synthesizer sucht, wird verdammt lange suchen müssen. Nicht wenige wünschten sich gar, einer ihrer 19-Zoll-Büchsen brächte eine vergleichbare Effektqualität zustande. Die Benutzerführung entspricht im Großen und Ganzen dem K-2500, das heißt, dank des vernünftig dimensionierten Displays sind Standardaufgaben schnell und unkompliziert lösbar, mit den dunklen Abgründen der V.A.S.T.-Synthese wäre aber selbst ein Notebook-Monitor hin und wieder überfordert. Wer sich richtig in seinen K-2600 festbeißen und ihm seine letzten Geheimnisse entlocken möchte (klappt eh nicht, glaubt mir ...), muss verdammt hart schuften und lernen. Und lesen. Die beiden erschöpfenden (das ist durchaus doppeldeutig gemeint ...) Handbücher bringen es wieder locker auf Telefonbuchstärke.

Wert-Schätzung


Ich besitze seit einiger Zeit einen K-2500, den ich auf Grund seiner Flexibilität, seines absoluten Powersounds und der vorbildlichen Erweiterbarkeit nicht mehr missen möchte. Kein anderes Instrument in meiner Obhut hat soviele - kostenlose! - Software-Updates erlebt wie der Kazwofünf. Und diese Updates waren keine bloßen Bugfixes, sondern meistens Upgrades, die dem Instrument immer wieder neue Kunststückchen beigebracht haben. Man darf wohl davon ausgehen, dass Kurzweil dem K-2600 die gleiche Pflege angedeihen lassen und somit für einen optimalen Werterhalt dieses gewiss nicht billigen Instruments sorgen wird. Diese Philosophie - verbunden mit einer konstanten Preispolitik - verdient gerade in unseren schnelllebigen Zeiten besonders lobende Erw?hnung. Doch auch darüber hinaus bietet der
K-2600 einiges an Gegenwert. Sound und Synthese-Engine ragen aus der Masse soweit heraus wie der Eiffelturm aus einer Reihenhaussiedlung. Der Kurzweil ist gerade dank seiner V.A.S.T.-Synthese weit mehr als ein schnöder Instrumentenlieferant fürs schnelle MIDI-Arrangement. Was hier an gemeinen, fetten, druckvollen, warmen Klängen in den Tiefen der DSP-Chips schlummert, vor allem den exzellenten Filtern ist hier einiges zu verdanken, dürfte manch virtuell-analogen Kollegen leicht beschämen. Dass dafür beim Preis ein gewisser Mercedes-Faktor zu kalkulieren ist, finden wir auf der Kehrseite der Medaille eingraviert.

Fazit


Bei genauerer Betrachtung handelt es sich beim K-2600 eher um einen K-2500 Mk II, wobei Namen wie so oft im Leben doch nur Schall und Rauch sind. Im Zusammenspiel mit der deutlich verbesserten Signalqualität, den leichten Sound-Retuschen, der vorsichtig erweiterten V.A.S.T. und dem nicht mehr aufpreispflichtigen KDFX-Board zählt der K-2600 nämlich ohne Frage zu den mächtigsten Synthesizern auf diesem Erdenrund, im Vollausbau allerdings auch zu den teuersten. Im Pflichtenheft hätte ich dafür gerne eine erweiterte Stimmenzahl gesehen sowie Digitalschnittstellen - und vielleicht eine integrierte Festplatte? - bereits in der Basisversion. Dafür muss man beim Kurzweil allerdings die SCSI-Schnittstelle nicht nachrüsten, was bei einem Instrument für knapp 6.000,- DM aber auch selbstverständlich sein sollte. Kurzum: Edle Synthesizerkost für Kenner und Genießer.
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