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Hochwertige ROM-Klänge inklusive:
Das PC88 gibt der Idee des Masterkeyboards neue Impulse.
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Testbericht
PC88
  Kurzweil Performance Controller PC88
Alles unter Kontrolle

In der letzten Zeit hatte man fast den Eindruck, Masterkeyboards wären aus der Mode gekommen. Zu Unrecht. Sind doch Masterkeyboards sowohl auf der Bühne wie auch als Einspieltastatur im Studio vor allem durch umfangreiche Spielbilfen beliebt. Kurzweil zeigt mit dem PC88, daß die Möglichkeiten und Steuerungsfunktionen der Masterkeyboards noch lange nicht ausgereizt sind. Und neben der gewichteten 88er-Tastatur gibt’s noch eine gute eingebaute Klangerzeugung mit Standard-Sounds.

JAN-HINNERK-HELMS

Das PC88 setzt seinen Schwerpunkt klar auf den Aspekt Masterkeyboard; die Klangerzeugung überzeugt zwar mit hochwertigen ROM-Klängen, entscheidende Klangprogrammierungen sind allerdings nicht vorgesehen. Das Gerät wendet sich also in erster Linie an den Live-Spieler, aber auch der MIDI-Studio-Besitzer profitiert von der großen Einspieltastatur und den frei belegbaren Fadern, Spielhilfen und Pedalanschlüssen.

Tastatur und Spielhilfen


Die 88er-Tastatur läßt sich durch eine angenehme Schwere und sinnvollen Widerstand wunderbar spielen, sie ist zweifellos ein Höhepunkt dieses Instruments. Gesendet werden Anschlags- und Loslassgeschwindigkeit sowie Aftertouch.

Zur Echtzeitsteuerung ist das PC88 mit zahlreichen Reglern und Anschlüssen versehen: Pitchbend-Rad (wobei beiden Regelbereichen eher- und unterhalb der Mittenrasterung eigene MIDI-Controller zugewiesen werden können), Modulationsrad, vier Eingänge für Schwellerpedale (!), zwei für Fußtaster (einer ist im Lieferumfang enthalten), vier Schieberegler mit angenehm langen Regelwegen und drei Taster/Schalter. All ihre Funktionen sind vollkommen frei programmierbar. Wäre jetzt noch ein Breathcontroller-Eingang vorhanden, wäre die Liste der Echtzeitsteuerungen komplett. Aber wir wollen nicht unbescheiden sein, denn die hier gebotenen Möglichkeiten sind wirklich ungewöhnlich vielfältig.

Wenn auch keine umfangreiche Editierung möglich ist, so ändert das nichts daran, daß die Klänge von höchster Qualität sind und sehr dynamisch reagieren. Es macht viel Spaß, sie über die hochwertige Tastatur zu spielen. Angekündigt ist eine Erweiterungsplatine namens VGM, die die GM-Palette enthält und nochmal 32 Stimmen zur Verfügung stellt. Die gemeinsamen Sounds wie Klavier und E-Pianos etc. sind nach Einbau des VGM-Boards 64-stimmig spielbar! Das PC88 ist 16-fach multitimbral. Pro Kanal läßt sich am Gerät Empfangsbereitschaft und Klangprogramm anwählen, über MIDI-Befehle lassen sich dazu Effektauswahl, Lautstärke und Panorama regeln, wobei Panorama nur beim Note-On ausgewertet wird.

Bedienfeld
Zur MIDI-Echtzeitsteuerung sind alle Spielhilfen mit MIDI-Controllern versehen.
MIDI


Zu unserem Bedauern steht nur ein MIDI-Ausgang zur Verfügung. Zwar läßt sich der MIDI-Thru zu einem zweiten MIDI-Out umschalten, doch dupliziert dieser nur die Informationen des ersten (Timing-Verbesserung durch weniger Thru-Ketten). Insgesamt lassen sich also nur 16 Kanäle ansprechen. Die am MIDI-Eingang anliegenden Daten lassen sich wahlweise einfach zum MIDI-Thru durchschleifen, mit den Daten des PC88 gemischt am MIDI-Out abgreifen (wobei SysEx-Daten ignoriert werden) oder sie werden so behandelt, als ob es Tastaturdaten des PC88 selbst wären. Auf diese Weise läßt sich zum Beispiel eine angeschlossene Umhängetastatur mit den sehr ausgefeilten Masterkeyboardfunktionen des PC88 versehen.

Tastaturzonen


Die Tastatur läßt sich an beliebigen Stellen in bis zu vier Bereiche einteilen, die solo gehört und stummgeschaltet werden können. Die so entstandenen Zones fungieren dann wie vier separate Tastaturen, die sich auch überlappen dürfen. Jede dieser Zonen läßt sich nun einzeln umfangreich für den jeweils angesteuerten Sound programmieren. Folgende Parametergruppen können bestimmt werden: MIDI Transmit, Program Key Range, Transpose, Velocity und Controllers. Eine solche Zusammenstellung von Tastaturzonen und ihren Parametern wird als MIDI Setup bezeichnet und kann als solches abgespeichert werden (128 Pl?tze). Über MIDI Transmit läßt sich die Zone abschalten, den Sendekanal wählen und das Ausmaß der Pitchbend-Auslenkung bestimmen. Dies kann sowohl grob in Halbtönen als auch fein in Cents geschehen - bis hin zu 128 Halbtönen. Sofern angeschlossene Klangerzeuger dies verstehen, werden die Einstellungen als Registered Parameters übertragen. Weiterhin läßt sich wählen, ob die Zonendaten nur an die interne Klangerzeugung, nur per MIDI oder auf beiden Wegen gesendet werden. Die in den Zones generierten Noten lassen sich selbstverständlich unter Transpose in äußerst großzügigem Maße transportieren. Ebenfalls wichtig ist die Auswirkung der Anschlagsdynamik für die jeweilige Zone. Die Velocity kann im Bereich von +/- 300% skaliert werden, was die Steigung der linearen Velocity-Kurve bestimmt. Zu jedem einzelnen Velocity-Wert wird auf Wunsch ein Offset von +/-127 addiert. Außerdem läßt sich die Charakteristik der Auswertungskurve, normalerweise linear, positiv und negativ verbiegen.

Schön ist, daß pro Zone Programmwechselbefehle inklusive eines Bankwechsels übertragen werden und sogar die Anzeige der Programmnummer die hoffnungslose Uneinigkeit der Hersteller vereinfacht. Denn zur Wahl stehen 0-127, 1-128, 11-88 und A1-H8 und sogar eine Namensanzeige gemäß dem General MIDI Standard - sehr komfortabel und praxisnah. Die Tastaturzonenbegrenzung kann ebenfalls mit einer Besonderheit aufwarten: Neben der üblichen Eingrenzung des spielbaren Bereichs - auch invers - findet man hier den Parameter Note Map, mit dem sich die Notenausgabe abschalten läßt. Und mehr: Hiermit läßt sich die Tastatur umdrehen oder auf eine feste Notennummer fixieren. Komplizierter ist die Möglichkeit, eine Zone nur ungerade Notennummern (1 of 2) senden zu lassen, eine andere hingegen nur die geraden (2 of 2), um so beispielsweise zwei 16-stimmige Klangerzeuger zu einem 32-stimmigen Synthesizer zu verzahnen. Und wer allen Warnungen zum Trotze nie genug Polyphonie haben kann: Auf ähnliche Art und Weise bietet das PC88 die Möglichkeit, bis zu vier Klangerzeuger zu verzahnen. Da die momentane Obergrenze pro Modul bei 64 Stimmen liegt, erreicht man so endlich die 256-stimmige Polyphonie. KEYS ist dankbar. Den umfangreichsten Menüpunkt bildet jedoch zweifelsohne Controllers: Sinnvollerweise wird hier zwischen kontinuierlichen und diskontinuierlichen Spielhilfen (Schaltern) unterschieden. Bei der Auswertung der kontinuierlichen Spielhilfen lassen sich diese um +/- 300% skalieren, um +/- 127 Schritte verschieben, und auch die Wahl der Charakteristik der Auswertungskurve findet sich hier wieder. Zusätzlich lassen sich jedoch die Werte festlegen, die diese Spielhilfe bei Anwahl und beim Verlassen des jeweiligen MIDI Setups senden soll.

Die diskontinuierlichen Spielhilfen lassen sich als Schalter oder Taster benutzen, ihre Funktion läßt sich getrennt für den Einschalt- wie auch für den Ausschaltvorgang wählen, ebenso läßt sich für diese beiden Zustände jeweils der zu sendende Wert der Spielhilfe festlegen.

Und auch hier hat man die Wahl, in welchem Zustand die Spielhilfe bei Anwahl und Verlassen des Setups sein soll. Eine solche Anzahl an Wahlmöglichkeiten ist nicht nur beeindruckend, sondern auch exzellent an den Bedürfnissen der Praxis orientiert. Den physikalischen Spielhilfen lassen sich nicht nur sämtliche MIDI-Controller zuweisen, sondern auch monophone Druckdynamik, Tempoinformation per MIDI-Clock, Start-, Stop- und Continue-Befehle für angeschlossene Sequencer sowie Transponierungen und Speicherverweise. Mit diesen kann man beispielsweise äußerst flexibel per Fußtaster Setups oder Klangprogramme innerhalb eines Setups wechseln. Einige der MIDI-Controller sind bereits fest bestimmten Funktionen des PC88 wie dem Arpeggiator oder der Klangveränderung zugeordnet, dankenswerterweise ohne Kollision mit bestehenden Definitionen. Angesichts der so entstehenden Möglichkeiten ist sinnvollerweise eine flexible Kopierfunktion für jeden Bereich des Gerätes vorhanden, und noch besser: Ist man bei fast allen am Markt befindlichen Geräten an vom Hersteller unveränderlich programmierte Grundeinstellungen gebunden, so erlaubt das PC88 dem mündigen Anwender die ungehemmte Modifizierung dieser Mustervorgabe. Dieses Ausstattungsmerkmal ist nicht genug zu preisen.

Last Exit Brooklyn


Hat man seinen Spielhilfen Controller zugewiesen, kann man beim Einschalten des MIDI Setups vorher definierte Werte (Entry Values) dieser Controller aussenden. Damit ist ein Live- oder auch Studio-Setup mit einem Knopfdruck eingestellt: Lautstärken, Programme, Panoramaeinstellungen, Effektanteile etc. Das ist noch nichts Neues; dafür aber die Exit-Values: Beim Verlassen des einen MIDI-Setups werden andere Werte der Controller gesendet.

Wenn z.B. die vier Fader die Lautstärken von vier Expandern steuern und danach die Filterfrequenzen von vier MicroWave-Programmen, können die vier Expander beim Wechsel des Setups noch schnell in ein brauchbares Verhältnis gesetzt werden, bevor die Fader andere Controller senden.

Bedienfeld
Einzelausgänge sind nicht geboten, aber dafür vier Anschlüsse für Schwellerpedale und zwei für Fußschalter.
Arpeggiator


Ein Arpeggiator sollte eigentlich in jedem Gerät zu finden sein, vor allem, wenn er so ausgefuchst ist, wie beim PC88. Der Arpeggiator ist Teil jedes MIDI Setups und kann pro Zone aktiviert werden. Der Arpeggiator läßt sich selbstverständlich auch über MIDI-Controller steuern und kann mit teilweise wirklich neuen Funktionen aufwarten. Neben Altbekanntem wie der Tastatureingrenzung, Einstellung der Geschwindigkeit, Notenart und -dauer finden sich schon bei der Abspielrichtung Neuheiten: Abwärts, Aufwärts, Auf- und Abwärts mit oder ohne Doppelanschlag der äußersten Noten oder Zufallsauswahl. Shuffle gibt die Noten ebenfalls zufällig aus, beachtet aber, daß keine Note wiederholt wird, ehe nicht alle Noten einmal gespielt worden sind.

Will man hingegen, daß nach jeder Note im Zyklus nur die nächsthöhere oder -niedrigere gespielt wird, sollte man Walk wählen. Mittels Glissando werden auch die Notenzwischenräume chromatisch durchlaufen. Natürlich läßt sich auch bestimmen, wie der Arpeggiator überhaupt auf Noteneingaben reagiert. So kann er einfach solange spielen, solange Tasten gedrückt sind, oder er spielt, solange mindestens eine Taste gedrückt ist. Mit Hilfe der MIDI-Controller 118 und 119 lassen sich noch weitere Modi aktivieren, um zum laufenden Arpeggio zu spielen, oder nur zeitweise dem Arpeggio Noten hinzuzufügen oder zu entfernen, während ein Grundgerüst stehenbleibt und vieles mehr. Angenehm ist hierbei der spontane Zugriff durch die Spielhilfen, die die Gestaltung des Arpeggios sehr abwechslungsreich machen. Zum Beispiel kann die Velocity der arpeggierten Noten durch Spielhilfen moduliert werden.

Als ob dies alles nicht bereits genug wäre, läßt sich pro Durchlauf eine wählbare Transposition dem Notenmaterial aufaddieren. Einsehbar ist, daß dies nicht endlos fortgeführt werden kann, und so gibt es zahlreiche Begrenzungsoptionen, mit denen sich wählen läßt, wie weit diese Transponierung fortgeführt werden darf und was bei Erreichen dieser Grenze geschieht: So kann der Arpeggiator stoppen oder wieder von der Originaltonhöhe beginnen oder wieder zurücktransponieren und noch allerlei andere wesentlich komplexere Dinge. Man möchte dies auch alles gar nicht so genau wissen, da es schlechtweg das pure Vergnügen ist, sich auf diesen Spielpartner einzulassen und von immer neuen Tonfolgen überrascht zu werden. Nur ein Wunsch bleibt offen: Das Arpeggio gleichsam einfrieren und über die Tastatur transportieren zu können. Da das Testgerät aber mit der Softwareversion 1.00 ausgestattet ist, vertrauen wir hierbei auf künftige Updates.

Effektiv


Die Effektsektion des PC88 bietet einen Hallprozessor mit den Charakteristika Raum, Bühne oder Halle sowie einen Delay- und Chorus-Prozessor. Beide Sektionen lassen sich getrennt und unabhängig voneinander registrieren, die Editiermöglichkeiten beschränken sich auf das absolut Notwendigste. Die Effektumschaltung erfolgt zwar mit rund einer Sekunde Stille, aber dafür nebengeräuschfrei.

Bedienung


Die Kommunikation mit dem Benutzer erfolgt über ein hintergrundbeleuchtetes LC-Display mit 2 x 20 Zeichen, der Kontrast ist über einen etwas zu kleinen Regler auf der Gehäuserückseite einstellbar. Die Dateneingabe geht dankenswerterweise über eine Zehnertastatur und Dateneingaberad mit Plus-/ Minus Tastern vor sich.

Die Menüstruktur des Instrumentes präsentiert sich angenehm flach: 12 Taster gewähren Zugriff auf die wichtigsten Parametergruppen, die mit zwei Cursor-Tasten unterhalb des Displays durchlaufen werden. Eine weitere Verzweigung findet glücklicherweise nicht statt. Diese Übersichtlichkeit wird unter anderem dadurch unterstützt, daß die Anwahl der zu programmierenden Spielhilfe durch die Betätigung der Spielhilfe und die Eingabe der Tastaturzonenbegrenzung direkt über die Tastatur vorgenommen wird.

Überhaupt lassen sich fast alle benötigten Werteänderungen auch über die Betätigung einer beliebigen Spielhilfe in Verbindung mit der Enter-Taste vornehmen. In Verbindung mit der flachen Menüstruktur fördert das Gerät zu jeder Zeit vorbildlich den spontanen Eingriff des Musikers.

Kleinigkeiten


Ein eigener Taster löst eine umfangreiche Panikfunktion aus, die garantiert nach ein paar Sekunden für Ruhe im MIDI-Setup sorgt. Das MIDI-Scope ist ein Klartextmonitor für eingehende M1DI-Daten, der bei der Fehlersuche recht nützlich sein kann. Systemexklusive Datenübertragungen aller Art sind selbstverständlich auch möglich, sogar alle Bedienungsvorgänge lassen sich so übertragen. Unter Global finden sich weiterhin die üblichen Hausmeisterfunktionen wie die Auftrennung zwischen Tastatur und Tonerzeugung, Stimmung und Ahnliches - es wird geboten was von Nutzen ist. Nur eines: Es gibt keine Edit-Buffer, bei einem versehentlichen Wechsel der Betriebsarten verliert man alle bisher gemachten Einstellungen. Auch ein Vergleich zwischen Original und Editierung ist so leider nicht möglich.

Fazit


Mag man die Kombination aus Masterkeyboard und Klangerzeugung im ersten Moment als etwas unzeitgemäß empfinden, so überzeugt Kurzweils Lösungsansatz bei näherer Betrachtung durch harmonisches Zusammenspiel. Zwar ließe sich der Bereich der Klangerzeugung in punkto Bearbeitungsfunktionen und Einzelausgänge noch erweitern, die Klangqualität jedoch weiß zu versöhnen. In Verbindung mit den durchdachten und teilweise außergewöhnlichen Steuerungsfunktionen ist es ein Genuß, sowohl die exzellenten internen Klänge als auch angeschlossene Instrumente über die hervorragende Tastatur zu spielen.
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